Lachen über Gewalt an Frauen

Vor ein paar Tagen gab es mal wieder einen “kleinen” Skandal in der deutschen Medienwelt. Auslöser dafür ist folgendes Video:

http://vimeo.com/37488427

Doch die deutsche Mehrheitsgesellschaft sieht den Skandal nicht in dem Video, sondern echauffiert sich über eine kritische Minderheit, die es nicht lustig findet, wenn ein Mann als Problemlösung seine Frau KO schlägt. “Ist doch ganz einfach” tönt die Stimme aus dem Off, während der Mann sich, gleichgültig über den Zustand seiner von ihm ausgeknockten Frau, auf die Seite dreht und weiter schläft. Auch für die breite Masse der Menschen scheint es ganz einfach nur witzig zu sein. Unverständniss löst allein die Tatsache aus, dass es Menschen geben soll, die nicht darüber lachen können.

Dass es allein in Deutschland über 360 Frauenhäuser gibt, in denen jährlich über 40.000 Frauen Zuflucht vor solch “witzigen” Aktionen suchen, spielt im Denken der Deutschen keine Rolle. Auf Webseiten wie zB. dieser: http://www.spiegeloffline.de/2012/03/05/skandal-des-tages-eon-unter-frauenhasser-verdacht/ wird sogar ausgedrückt, dass es ohne Vergewaltigungen, Sexsklavinnen, oder ohne dass die “Hausfrau” richtig verprügelt wurde, sich gar nicht um Sexismus oder Gewaltverherrlichung handeln könne. Wie beschränkt das Weltbild des Autors dieser Seite ist, zeigt sich nicht nur durch die Tatsache, dass er wohl nur “Sexsklavinnen” und “Hausfrauen” als potentielle Opfer sieht (ich hoffe mal ganz stark, dass er nicht alle Frauen nur in diese zwei Kategorien unterteilt), sondern auch dadurch, dass er komplett ignoriert, dass Gewalt nicht erst beim Verprügeln oder einer Vergewaltigung losgeht, sondern schon bei psychischer Gewalt wie zB. Abwertung und Beleidigung, aber auch bei Isolation von sozialen Kontakten.

Eine Prävalenzstudie aus dem Jahr 2005 zeigt, dass ca. 25% aller in Deutschland lebenden Frauen schon einmal Opfer von sexueller oder physischer Gewalt wurden. 64% dieser Frauen trugen offen erkennbare Verletzungen aus diesen Übergriffen davon. Weiterhin zeigt diese Studie, dass Frauen die in ihrer Kindheit schon Opfer von Gewalt gegen sie wurden, zb durch ihre Eltern,, mit dreifacher Häufigkeit erneut Opfer von häuslicher Gewalt werden. Im Klartext bedeutet dies, dass die Auswirkungen dieser Gewalt so stark auf sie wirkt, dass sie sich selbst aufgegeben haben und nicht mehr in der Lage sind sich zu wehren und sich ihrem Schicksal ergeben haben. So kehrt die Hälfte der 40.000 Frauen die jährlich von Akten häuslicher Gewalt betroffen sind, wieder zu ihren Peinigern zurück.

Ein Muster bei den Tätern lässt sich nicht erkennen. Weder gibt es eine Häufung nach der Einnahme von Alkohol oder Drogen, noch lässt sich die Angehörigkeit zu einer besonderen sozialen Schicht oder zu einem Arbeits- bzw Arbeitslosenverhältniss nachweisen.

Ob die Frau im Video früher schon einmal Opfer von Gewalt wurde, ob sie Sexsklavin, Hausfrau oder Managerin ist, lässt sich nicht erkennen. Sie ist einfach nur eine Frau die nicht schlafen kann und sich an ihren Partner wendet, in dem Vertrauen Gehör zu finden. Genauso bleibt die Identität des Täters geheim. Das Video zeigt also einen anonymen Mann, für den es selbstverständlich ist, dass er seiner Partnerin mit Gewalt seinen Willen aufzwingt um sein eigenes Bedürfniss nach Schlaf so einfach und schnell wie möglich zu befriedigen. Der physische und psychische Zustand seiner Partnerin ist ihm egal. Er ist ein Mann und in einer Gesellschaft die über Jahrtausende hinweg patriarchaische Zwänge in sich tief verankert hat, scheint seine Tat, zumindest für ihn, vollkommen normal zu sein.

Im Grunde spiegelt dieses Video den erschütternden Alltag vieler Frauen wieder. Ihre Rolle in der Gesellschaft ist es dem Mann hörig zu sein. Gewalt wird als Mittel anerkannt um dieses Zwangsverhältniss zu legitimieren.

Das soll nun also witzig sein? Darüber lachen also die Deutschen?
Hinfort ist die Empörung über Muslima mit Kopftüchern, die sich doch bitte in die ach so überlegene deutsche Leitkultur integrieren sollen. Während der deutsche Mob sofort die Heugabeln zückt und die Fackeln entzündet, wenn Männer mit anderem kulturellem Hintergrund ihre Frauen aus Eifersucht oder sonstigen Beweggründen schlagen oder gar töten, oder junge Mädchen zwangsverheiratet werden, amüsiert er sich gar köstlich, wenn ein Mann aus seinen Reihen einer Frau Gewalt als Problemlösung antut.

“Ja aber der Film wurde doch von drei Frauen gemacht” wird dann schnell als Rechtfertigung herbeizitiert, genauso wie “Meine Freundin hat auch gelacht”. Dass diese drei Frauen in einer von Männern dominierten Welt jeden Tag erneut um ihre Akzeptanz kämpfen müßen und dies leider fast nur möglich ist, in dem sie sich dem System unterordnen, wird ignoriert. Genauso wird ignoriert, dass die Mehrheitsgesellschaft versucht die Menschen von Geburt an in vordefinierte Geschlechterrollen zu pressen und ihnen ihre Vorstellung von richtig und falsch aufzwingt. Richtig oder falsch ist nicht was die/der Einzelne denkt oder fühlt, sondern was die Mehrheit als richtig oder falsch anerkennt und ihr/ihm aufzwingt.

Mit diesen Vorraussetzungen ist es kein Wunder, dass die Dunkelziffer von häuslicher Gewalt und sexistischen Übergriffen wohl viel höher liegen dürfte.

Eine Gesellschaft die Opfer verhöhnt und Täter als Opfer darstellt ist weit davon entfernt als aufgeklärt oder gar emanzipatorisch zu gelten. Sie ist abzulehnen und ihre Zwänge und geheuchelten Wertvorstellungen müßen aktiv kritisiert und überwunden werden.

 

Vor allem aber ist sie eines,

 

NICHT WITZIG!

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